Die Arrival City ist bezahlbar

Das Essay entstand im Rahmen einer Exkursion in die hessische Kleinstadt Stadtallendorf im Modul Stadterneuerung & Stadtumbau.

„Günstige Mieten sind eine Voraussetzung für die Attraktivität einer Stadt.“

In Zusammenarbeit mit dem Deutschen Architekturmuseum zur Austellung Making Heimat stellte der britisch-kanadische Autor und Journalist Doug Saunders diese These auf – sie bedeutet das insbesondere für vermögens- und einkommensschwache Migranten bezahlbarer Wohnraum bedeutsam ist für die Entscheidung wo sie sich niederlassen. Ein hoher Mietpreis ist finanziell nicht leistbar für neu ankommende Menschen, niedrige Mieten hingegen schon.

Bedeutung von bezahlbaren Wohnraum

Jeder Mensch gibt ein Teil seines zur Verfügung stehenden Einkommens für das Wohnen aus. Je höher der Anteil der Wohnkosten am Einkommen ist, desto weniger steht selbstverständlich für andere Ausgaben zu Verfügung – es muss gespart werden an Bildungs-, Mobilitäts- Freizeit- und weiteren Ausgaben. Dabei kann die Wohnung, der Platz zum Leben eines Menschen, als existienzelle Grundbedürfnis betrachtet werden – erst wenn diese gesichert ist, kann der Mensch sich weiteren ebenfalls grundlegenden Bedürfnissen – zuwenden.

In der maslowschen Bedürfnispyramide ist das Bedürfnis nach (bezahlbaren) Wohnraum in die erste Stufe, in die der existenziellen Grundbedürfnisse einzuordnen. Erst darauf folgen Bedürfnisse der Sicherheit, nach sozialen Anschluss, nach Anerkennung und zuletzt nach Selbstverwirklichung. Zu hohe Kosten für die eigene Unterkunft bilden damit nicht nur eine finanziell bedingte Schwierigkeit, sondern führen zur Vernachlässigung der grundlegenden Bedürfnisse des Menschen.

Bezahlbar oder gut wohnen?!

Folgt man Saunders These dann segregieren sich Migranten in bestimmten Quartieren – einerseits zwingend durch die bezahlbaren Mieten, desweiteren aber auch zur Netzwerkbildung. Durch die geringen Mieten ist jedoch nicht notwendigerweise die Möglichkeit zur Teilhabe an der übrigen Gesellschaft gegeben, nur weil dadurch mehr Geld für weitere Ausgaben zu Verfügung steht – es ist vielmehr kennzeichnend das Quartiere mit geringen Mieten auch geringe Qualitäten für die dort lebenden Bewohner aufweisen. Dies lässt sich auch am Exkursionsort Stadtallendorf im Musikerviertel nachvollziehen – unmittelbar neben den großen Fabrikanlagen, in einem ungepflegten, vernachlässigten Wohnumfeld leben überwiegend Migranten.

Im Anblick der schwierigen Lebensbedingungen ist die Forderung nach Instandsetzung und Aufwertung nur verständlich. Zu einer Problemdefinition gehört aber auch zu erkennen, dass eben diese schlechten Lebensbedinungen für die niedrigen bezahlbaren Mieten verantwortlich sind. Eine ungesteuerte Aufwertung führt auch zu einem Anstieg der Mieten im jetzigen System der Wohnraumversorgung. Einen solchen Anstieg der Mieten können diese Menschen nicht leisten, sonst ist anzunehmen, dass sie von vornerein in ein Quartier mit höheren Qualitäten gezogen wären.

Grundlegende Probleme des Wohnungsmarktes

Mit den rasch ansteigenden Miet- und Eigentumspreisen insbesondere in urbanen Gebieten ist die Diskussion um bezahlbaren Wohnraum in weitere Teile der Gesellschaft vorgerückt – zu den Betroffenen zählen nicht mehr nur einkommensschwache Gruppen wie Migranten und Arbeitslose, sondern auch mit Studenten, Krankenschwestern und Polizisten jene Menschen die zum Mittelstand gezählt werden. Die These ist daher unbedingt auf andere gesellschaftliche Gruppen auszuweiten. Bezahlbarer Wohnraum ist für jene gleichermaßen ein existenzielles Bedürfnis – auch bei ihnen stellt sich die Frage wie ansprechender Wohnraum hergestellt werden kann, ohne sie den damit verbundenen Preissteigerungen auszusetzen. Doch wie könne diese überhaupt erklärt werden?

Die Kosten für Wohnen setzen sich im wesentlichen aus den Kosten für Boden, Bau- und Unterhalt des Gebäudes zusammen, zuzüglich dem was ein Akteur an seinen Aktivitäen verdienen möchte – dem Gewinn. Im Rahmen der Zinssenkung der Europäischen Zentralbank nach der Finanzkrise 2007 ist es für viele gewinnorientierte Anleger attraktiv geworden geworden in Boden- und Wohnraum zu investieren, da diese im Vergleich zu anderen Anlageformen sichere und höhere Gewinne bieten. Dies bettet sich ein in eine längere Phase des Rückzugs des Staates aus dem sozialen Wohnungsbau mit der Abschaffung der Wohnungsgemeinnützigkeit 1989, dem (noch andauernden) Verkauf staatlicher Liegenschaften zum Höchstpreisen an privatwirtschaftliche Akteure und dem Auslaufen der Preisbindung von vom Statt geförderten Wohnungen. Es wird geschätzt das jährlich zirka 60.000 Wohnungen diese Preisbindung verlassen und dann zu wesentlichen höheren Preisen weiterverwertet werden. Hinzu kommen zu diesen Ursachen die verstärkte Urbanisierung, die regional unterschiedlich stark ausgeprägt ist, aber auch gestiegene Baustandards und Handwerkerkosten.

Boden- und Wohnpolitik nach sozialen Kriterien

Die Gründe für die Preiststeigerungen sind vielfältig – eine sozial orientierte Boden- und Wohnpolitik bildet aber die Grundlage um weitere Preissteigerungen zu vermeiden. Dafür stehen viele stadtplanerische und rechtliche Maßnahmen zur Diskussion – eine aktive Liegenschaftsvorhaltung von Städten, die Vergabe von Grundstücken nach Konzept, die langfristige Verpachtung per Erbpacht, der Aufruf „Grundsteuer zeitgemäß!“ um nur einige wenige zu nennen. Alle haben gemein das mit dem Boden und dem Wohnraum anders umgegangen werden soll als mit anderen Gütern – es wird weniger als Ware gesehen, sondern als Gemeingut, das jeder benötigt. Dabei zeigen einige Projekte, die von gemeinnützigen Akteuren wie der Edith-Maryon-Stiftung aber auch von engangierten Stadtverwaltungen vorangetrieben werden, das hier große Potenziale für eine selbstbestimmte Stadtentwicklung vorhanden sind.

Das Problem der mit der Aufwertung verbundenen Mietststeigerungen könnte durch gemeinnützige Wohnträger abgemildert werden – und würde damit gerade in den vernachlässigten Quartieren die Anpassung der Lebensverhältnisse und Chancen fördern.

Der These muss nicht nur zugestimmt werden, sie ist zutreffend, sie muss als grundlegend für jeden Menschen erkannt werden. Sie wirft aber die Frage auf wie die Attraktivität einer jeden Stadt gesichert und ausgebaut kann – ohne das der Wunsch bezahlbar zu Wohnen bedeutet in einem Quartier ohne Qualitäten zu leben. Eine Boden- und Wohnpolitik nach sozialen Kriterien ist der Schlüssel dazu.